​Nachlese der Veranstaltung: „Landwirtschaft im Klimawandel – Was kommt im Weinviertel auf uns zu?“

Einladungsinfo

Einladungsinfo ©Mariella Schreiber

Nachlese der Veranstaltung: „Landwirtschaft im Klimawandel – Was kommt im Weinviertel auf uns zu?“ 

Am diesjährigen Weltbodentag, dem 5. Dezember 2022 haben vier KLAR! Regionen des östlichen Weinviertels zu der Veranstaltung „Landwirtschaft im Klimawandel – Was kommt im Weinviertel auf uns zu?“ in die Bezirksbauernkammer Mistelbach eingeladen. Namhafte Experten und Praktiker erörterten gemeinsam mit zahlreichen Interessierten Ursachen, Folgewirkungen, mögliche Chancen sowie Strategien gegen die Veränderungen durch den Klimawandel in der Landwirtschaft. Dieser Abend war der Auftakt einer Veranstaltungsreihe zur Weinviertler Landwirtschaft im Klimawandel. 

Viele Personen aus unterschiedlichen Gemeinden der Bezirke Mistelbach und Gänserndorf haben sich an diesem Abend dem Thema gewidmet. Vermutlich allen war klar, die Landwirtschaft im Weinviertel hat ein Problem mit den Folgen des Klimawandels. Roman Bayer, Obmann der Bezirksbauernkammer, eröffnete den Abend und stellte fest, dass der Klimawandel inzwischen ein breites gesellschaftliches Problem geworden sei, der nicht mehr nur primär die Landwirtschaft betreffe. Mit den Worten „Jeder kann etwas bewirken, es sind viele kleine Bausteine. So kann man dem Klimawandel entgegenwirken.“ resümierte er seine Einleitung und übergab an die Moderator:innen des Abends, die KLAR! Manager:innen Mariella Schreiber (Weinviertler Dreiländereck) und Benedikt Miksch (Land um Laa). Als Vortragende waren Klaus Haslinger (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik – ZAMG), Josef Wasner (Verein Boden.Leben) und Andreas Schmidt (langjähriger Biobauer) geladen. Nach Impulsvorträgen von Klaus Haslinger und Josef Wasner wurden in einer Podiumsdiskussion zentrale Fragen aus und mit dem Publikum diskutiert.

Zusammenfassung des Vortrages von Klaus Haslinger (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik)

Klaus Haslinger gab einen Überblick über Klimaveränderungen und dessen Auswirkungen aus wissenschaftlicher Sicht. Das Jahr 2022 war bereits um 2,5° zu warm, es handelte sich um den viertwärmsten Sommer der Messgeschichte. An der Pasterze – Österreichs größtem Gletscher – gab es sehr starke Schmelzraten. Der Oktober war überhaupt der wärmste Oktober der Messgeschichte. 

Warme Extreme zeigen stärkere Veränderungen als kalte Extreme. Was bedeutet das? Die Anzahl der heißen Tage pro Jahr nehmen zu. Dies zeigt sich am Beispiel der Wetterstation in Hohenau/March (KLAR! Region March-Thaya-Auen). Menschen sind aber nicht dafür „gebaut“, Klimaveränderungen zu spüren, unter anderem da das Klima sehr träge reagiert. Um die Veränderungen aber für uns Menschen greifbarer zu machen, gibt es sogenannte Klimaindikatoren wie Niederschlag oder Temperatur. 

Niederschläge: Niederschläge werden in Niederösterreich tendenziell mehr, allerdings nimmt die Bodenfeuchte über die Jahrzehnte ab. Höhere Temperaturen in der Atmosphäre entziehen dem Boden mehr Feuchtigkeit. Generell muss die Niederschlagsänderung für Sommer und Winter getrennt betrachtet werden, da sie sich die Jahreszeiten unterschiedlich entwickeln. Denn auch wenn die mittlere klimatische Wasserbilanz zeigt, dass es übers Jahr eher feuchter wird (selbst im Weinviertel) gilt auch hier das Sprichwort: „Der Teufel liegt wie immer im Detail“. Winter werden feuchter, Sommer aber trockener mit vermehrten Starkregenereignissen, bei denen der Boden nur einen Teil des Wassers aufnehmen kann. Auch die Gewittertage werden zunehmen, wenngleich sich Gewitter in Klimamodellen schwer simulieren lassen. 

Dürreereignisse: Der Bodenfeuchteindex zeigt generell einen abnehmenden Trend, sprich es wird trockener. Wobei es hier immer wieder Schwankungen gab zwischen feuchten und trockenen Perioden. Die letzten 10 Jahre waren jedenfalls trockener, daher sollte man meinen, nun kommt wieder eine feuchtere Periode, doch zeigen die Modelle generell eine Tendenz zu trockeneren Zeiten. 

Auch kommt es zu Verschiebungen von sogenannten „Klimazonen“ (nach Köppen-Geiger): In Österreich herrschte im Jahr 1910 fast durchgehend ein „Nadelwaldklima“. Dies hat sich über die Jahrzehnte stark verändert. Zahlen aus dem Jahr 2010 zeigen: Der Nadelwald hat sich in den Alpenraum zurückgezogen, heute herrscht bei uns primär „Buchenwaldklima“. Das kann für die Vegetation zum Beispiel im Wald Probleme bringen, man denke nur an die Borkenkäferproblematik. 

Und wie genau verändert sich nun unser Klima im Weinviertel? Das Klima ändert sich aufgrund des Zusammenspiels verschiedener Faktoren wie Klimaantriebe (Sonne, Treibhausgase, ...) Klimawechselwirkungen und Klimarückkopplungen. Generell ist es schwierig für die Zukunft eindeutige und konkrete Aussagen zu treffen, weil bei den einzelnen Szenarien auch das menschliche Verhalten eine große Rolle spielt. So gibt es verschiedene Szenarien, wie sich unser Klima in Zukunft entwickeln kann, dabei haben auch die weiteren Emissionen von Treibhausgasen eine gewichtige Rolle oder die Klimaschutzmaßnahmen, die gesamtgesellschaftlich getroffen werden. 

Und im Weinviertel? Generell sagen uns die Modelle, dass die Niederschlagssummen eher leicht zunehmen, vor allem im Winter. In der warmen Jahreszeit dafür eine höhere Wahrscheinlichkeit für Dürreereignisse entsteht. Ein genereller Trend zur Trockenheit steht aber fest (vor allem aufgrund von Verdunstung). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Klima in Mitteleuropa generell „variabler“ wird. Der Klimawandel bedingt eine Zunahme der Schwankungen. 

Zusammenfassung des Vortrages von Josef Wasner (Verein Boden.Leben)

Strategien, wie wir mit diesen Veränderungen in der Bewirtschaftung umgehen können, zeigte Josef Wasner in seinem Vortag auf. Dabei fokussierte er sich auf Aspekte der praktischen Umsetzung und die wassersparende Bewirtschaftung als Kernmaßnahme der Anpassungsstrategien in der Bodenbewirtschaftung. Zwei Möglichkeiten gibt es dafür. Einerseits die Verdunstung vermindern, andererseits die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhöhen (und damit eine Reduktion von Oberflächenabfluss). Möglichkeiten dazu sind etwa Fruchtfolge, Zwischenfruchtanbau, Bodenleben fördern, boden- und wasserschonend arbeiten, Erosionsschutz (das Wasser soll dort bleiben, wo es „runterkommt“), organische Düngung, ausgewogene Düngung generell (Bodenchemie, Bodenphysik, Bodenbiologie, es muss alles zusammenspielen). 

Für diese Art der Bewirtschaftung braucht es Geduld, Ausdauer und konsequentes Arbeiten. Es dauert Jahre, aber es zahlt sich aus. Das Ziel ist ein intakter, lebendiger Boden mit großem Speichervermögen für Wasser und Nährstoffe. Ein wesentlicher Faktor ist ein bedeckter Boden. Denn es geht nicht nur um die Luft-, sondern auch um die Bodentemperatur. Im Sommer kann sich ein dunkler Boden 50-55 Grad oder mehr erhitzen. Gegen diese starke Erhitzung hilft ein begrünter, bedeckter Boden (bis zu 15-20° weniger ist möglich) - das ist auch für das Bodenleben eine Erleichterung. 

Darüber hinaus sollte man flach arbeiten. Ernterückstände können ebenso den Boden bedecken. Bodenbedeckung durch Begrünung ist ebenfalls möglich (v.a. im Herbst). Der Boden selbst benötigt jedoch nicht totes Material darauf, sondern lebendiges (um Kohlenstoff in die Erde zu bringen). Selbst wenn Gründüngungspflanzen im Frühjahr abgestorben sind, sind sie als Kohlenstofflieferant noch von Nutzen. 

Die Kritik, dass Begrünung viel Wasser brauche, lässt Wasner nur bedingt gelten. Denn auch Boden ohne Begrünung braucht Wasser. Studien haben gezeigt, dass Ende Februar kein Unterschied mehr zwischen Boden mit/ohne Begrünung zu erkennen ist. Diese braucht Wasser, bringt aber auch Wasser. Mulch und Direktsaat dienen zudem als Erosionsschutz. Begrünungsreste und Stroh helfen den Wasserabfluss zu reduzieren. Auch wenn es auf den ersten Blick ein wenig wilder aussieht, ist es erosionstechnisch besser. Und auch gegen Schneeverwehungen helfen Begrünungen – der Schnee bleibt an Ort und Stelle. Bei Erde ist es ähnlich, wenn der Boden im Frühjahr blank daliegt. Generell ist für eine klimafitte Landwirtschaft ein gesunder Boden mit stetiger Bedeckung unumgänglich. 

In der anschließenden Diskussion widmeten sich die beiden Vortragsgäste und der Biobauer Andreas Schmidt den Fragen der beiden Moderator:innen sowie des Publikums. 

Eindrücke und Blitzlichter aus der Diskussion

Es wurde die Zuverlässigkeit von Klimamodellen besprochen, wobei bei der Temperatur eine hohe Zuverlässigkeit gegeben ist, bei Niederschlägen die Modelle hingegen sehr unsicher sind. Lange wurde auch über Gewässer im Weinviertel diskutiert. Seien es die „Sünden“ der Vergangenheit, mit massenhaft Drainagierungen, bis hin zu verschwundenen Teichflächen. Es wurden die berechtigten Fragen aufgegriffen, inwieweit etwa alte Drainagen künftig als Wasserreservoirs dienen können oder wie man damit umgehen kann, dass durch Kanäle und Drainagen vielerorts Brunnen ausgetrocknet sind. 

Generell brachten die Anwesenden neben fachlichen Fragen an die Vortragenden auch kritische Anregungen rund um verschiedene Themen ein. Wie auch im Hinblick auf erneuerbare Energien am Feld (Wind, Photovoltaik). An oben schon angesprochenen „Sünden“ der Vergangenheit wurde breite Kritik geübt.

Aber auch über mögliche Chancen durch den Klimawandel wurde diskutiert, denke man etwa an neue Kulturen, die mit dem wärmeren Klima besser zurechtkommen, oder eine Verlängerung der Vegetationsperiode. 

 Nicht zu vergessen ist, dass die zunehmende Erwärmung nicht nur den Boden und die Pflanzen fordert, sondern auch die Landwirt:innen selbst. Denn Andreas Schmidt bringt es in der Diskussion auf den Punkt: „Bei mehr als 33° Grad Außentemperatur werde ich grantig”. Denn bei hohen Temperaturen im nicht klimatisierten Traktor oder am Feld zu arbeiten, beeinträchtigt nicht nur das eigene persönliche Wohlbefinden, sondern ist auch ein Gesundheitsrisiko. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, die Herausforderung in der Landwirtschaft der heutigen Zeit liegt darin, alles unter einen Hut zu bringen, positive und negative Aspekte. Es geht darum möglichst viele Antworten zu bekommen, damit nicht jede und jeder selbst nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ arbeiten muss. Das zu unterstützen ist auch zentraler Bestandteil dieser Veranstaltungsreihe. 

Auf die Abschlussfrage: „Wie stellen Sie sich das Jahr 2050 vor und was haben wir bis dahin geschafft?“ setzten die Gäste unterschiedliche Akzente. So erhofft sich Andreas Schmidt einen Bürokratieabbau. Denn es gebe so viele innovative Kolleg:innen, die etwas probieren möchten und aufgrund von strukturellen Rahmenbedingungen daran gehindert werden. Es braucht Rahmenbedingungen, wo jeder leben kann. Klaus Haslinger wiederum wünscht sich mehr unverbaute Gewässer und Flüsse. Beides Ausblicke, die wir als KLAR! Regionen vollumfänglich unterschreiben können.